Demokratie spielend erlebbar machen – das war die Aufgabe von über 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Democracy Jam von der Stiftung Digitale Spielekultur und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zweieinhalb Tage hatten sie Zeit, um in den Räumen der Games Academy Berlin konkrete Aspekte der Demokratie zu identifizieren, darauf aufbauend interaktive Spielformate zu entwickeln und diese als spielbare Prototypen zu präsentieren – egal ob App, Computerspiel, Brett- oder Kartenspiel oder crossmediales Format. Ich habe für dieses innovate Format die Moderation konzipiert und gemeinsam mit Mitarbeitenden der Stiftungen und einem weiteren Coach aus dem D.Network vor Ort durchgeführt. Dabei bestand die größte Herausforderung darin, die Teams schnell zur Selbstorganisation zu befähigen.
Die Entwicklung eines Spieles ist fast immer Teamwork. Je größer und komplexer ein Spielkonzept ist, desto mehr Sinn macht es, arbeitsteilig vorzugehen: Experten in ihren jeweiligen Bereichen fokussieren sich auf das Gameplay, die Grafik, die Spielfiguren, den Sound oder das Verfassen des Regelwerks. Wichtig ist aber, dass die einzelnen Schritte Hand in Hand gehen und gut aufeinander abgestimmt sind. Ein Ansatz, mit dem solch arbeitsteilige Prozesse organisiert werden können, ist Scrum: Auf einem Board werden Aufgaben als einzelne Items gesammelt, es werden Zuständigkeiten im Team verteilt, man einigt sich auf Qualitätskriterien („Definition of Done“) und in regelmäßigen Abständen gleicht das gesamte Team den gemeinsamen Fortschritt in kurzen Meetings („Retrospective“) miteinander ab. Zwischen den Retros arbeitet jeder an den eigenen Aufgaben und verschiebt dabei Items von „ToDo“ über „Doing“ in „Done“. Bei der Democracy Jam habe ich die einzelnen Teams sehr früh dazu angehalten, sich in einem von Scrum inspirierten System zu organisieren. Wichtig war dabei, die Stärken der einzelnen Teammitglieder gut zu kombinieren. Jedes Team bestand zu großen Teilen aus Stiftungs-Stipendiaten, die gut informiert waren über das politische System und die Gefahren, in die unsere Demokratie gerade schlittert, entsprechend diskussionsfreudig gingen sie an die gegebene Aufgabenstellung heran. Auf der anderen Seite gab es pro Team höchstens ein oder zwei Game Developer oder IT-Experten, deren Skills für die Spieleentwicklung allerdings essentiell waren. Es ging also darum, trotz der Diskussionsfreudigkeit schnell gemeinsam einen Aspekt der Demokratie zu identifizieren, der im Spiel erlebbar gemacht werden sollte. Anschließend konnten die Developer und ITler anfangen zu arbeiten, während die Politik-Experten in einem längeren Diskussionsprozess das erwünschte Spiele-Erlebnis noch präzisieren und damit nachjustieren konnten.
Die Ergebnisse der Democracy Jam
Alle Teams haben diese Herausforderung hervorragend gemeistert und zur Abschlusspräsentation eindrucksvolle Ergebnisse gezeigt.
- Einer meiner persönlichen Favoriten war der Politik-Simulator. „Democrazy – du entscheidest!“ Am Computer schlüpft der Spieler oder die Spielerin hier in die Rolle eines Bürgermeisters, der auf verschiedene Ereignisse mit eigenen Entscheidungen reagieren muss. Flüchtlinge kommen ins Land – nimmt das Dorf sie auf, oder nicht? Jede Entscheidung zieht Konsequenzen nach sich, nie sind alle Betroffenen zufrieden zu stellen. Weil jedes Ereignis auf einer wahren Begebenheit basiert, werden die ausgelösten Social-Media-Reaktionen aus tatsächlichen Twitter-Meldungen zusammengestellt; wer will, kann sich in einem Index weitere Hintergrundinformationen anlesen. Das Team des Politik-Simulators hat sich in den zweieinhalb Tagen mit einem Trello-Board und einer WhatsApp-Gruppe selbst organisiert. Während der einzige Programmierer im Team von Anfang an alle Hände voll mit der technischen Umsetzung zu tun hatte, haben zwei Personen handgezeichnete Grafiken entwickelt und eingescannt, und eine weitere Task Force war mit Faktencheck und Recherche der Ereignisse beschäftigt.
- Das Computerspiel „Keep everybody happy“ hat zum Ziel, verschiedene Typen von Bürgerinnen und Bürgern so auf einer Fläche zu verteilen, dass alle glücklich sind. Der Clou: Manche mögen gerne viel Gesellschaft, andere wären am liebsten alleine, und wieder andere mögen nur ganz bestimmte Typen zum Nachbarn haben.
- Das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsradikaler Kräfte treibt die Entwickler von „All choices are battles“ um. In ihrem Game muss der Spieler Demonstrationen organisieren und zusammenführen und hat dabei verschiedene Herausforderungen, wie zum Beispiel lautstarke Gegendemonstranten, zu meistern.
- „Ghost 6:59“ heißt eines der fünf Spiele, die bei unserem Democracy Jam: Politik ist (k)ein Game entwickelt worden sind.
Das Jump&Run-Spiel beginnt in der letzten Minute vor Schließung der Wahllokale. 60 Sekunden hat man dann Zeit, Wahlmanipulationen zu verhindern, und muss nebenbei Beweise dafür sammeln.
Ein spannendes und anspruchsvolles Spiel! - „Was wenn unsere Gesellschaft ein Eintopf wäre“ geht einen anderen Weg. Als einziges Team haben die Entwicklerinnen und Entwickler auf ein analoges Konzept gesetzt und Spielkarten gestaltet, die eine politische Konversation starten können. „Welcher Eintopf wäre die Gesellschaft deiner Meinung nach? Und welche Zutat wärst du darin?“ fragt eine dieser Karten. Gut geeignet, um die politische Konversation unterm Weihnachtsbaum oder bei anderen Familienevents in geordnete Bahnen zu lenken.
Meines Wissens nach waren die Stiftung Digitale Spielekultur und die Konrad-Adenauer-Stiftung im deutschsprachigen Raum die ersten, die jemals ein solches Format für die politische Bildung genutzt haben. Ich bin sehr stolz dass ich bei dieser Pionierarbeit unterstützen durfte.